Goldach in der Zeit des zweiten Weltkrieges

Kornernte während des Zweiten Weltkrieges im Schuppis. Hier befindet sich heute das Kieswerk der A. Gerschwiler & Co AG.
Kornernte während des Zweiten Weltkrieges im Schuppis

Die fünfte Folge der Serie über Goldach in der Zeit des zweiten Weltkrieges widmet Heiri Bärlocher der Lebensmittelrationierung, die auch in unserer Gemeinde spürbar war.

Um Hamsterkäufe, insbesondere von begüterten Familien, unterbinden zu können, ordnete der Bundesrat im Jahr 1938 die Lebensmittelrationierung an. Es folgte die Einführung sogenannter Lebensmittelkarten für alle Einwohner der Schweiz. Diese Massnahme war vordergründig sehr einfach, in Wirklichkeit aber kaum korrekt umzusetzen.

Es galt ja nicht nur, die eingelagerten Vorräte und die noch im Ausland eingekauften Lebensmittel «gerecht» zu verteilen. Darüber hatten die Behörden einen guten Überblick. Viel schwieriger war der Einbezug der in der Schweiz erwirtschafteten, landwirtschaftlichen Produkte. Die Grundlagen dafür musste jede Gemeinde in einem eigenen Kriegswirtschaftsbüro erarbeiten. Dazu gehörte beispielsweise die Viehzählung.

Alle Kühe, Rinder, Kälber, Schafe, Ziegen und Schweine, ja auch die Hühner, mussten in der ganzen Gemeinde gezählt, ihr Alter vermerkt und in ein Tierregister eingetragen werden. Der Bauer konnte ab sofort nicht mehr frei über seine eigenen Tiere verfügen. Wollte er ein Schwein oder ein Huhn schlachten, einem Metzger verkaufen oder auch nur einem anderen Bauern weitergeben, so musste er vorgängig den Tierarzt (in Goldach Herrn Glaus) und das Kriegswirtschaftsbüro verständigen. Wurde ein Tier krank, so war ebenfalls der Tierarzt zu benachrichtigen, der seinerseits entschied, ob es noch bankfähig sei, der Assekuranzmetzgerei zugeführt oder getötet und auf dem Abdeckplatz landen müsse. Alle diese Entscheide waren dem Amt zu melden. Was ist eine Assekuranzmetzgerei, werden Sie sich vielleicht fragen. Jede Gemeinde mit einer grösseren Anzahl Bauern musste für die Verwertung von kranken oder halbtoten Tieren eine eigene Metzgerei betreiben. Diese befand sich in Goldach neben dem Restaurant Krone und war früher eine Waschküche. Dort tötete und zerlegte der Amtsmetzger (Herr Schöb von der Neumühlestrasse) die Tiere. Der Tierarzt besichtigte die zerlegten Teile und stempelte sie mit einem grossen, violetten Stempel als geniessbar oder ungeniessbar. Die noch geniessbaren Stücke wurden gewogen. Die Bauern waren in der Folge verpflichtet, dieses Fleisch im Verhältnis ihres Tierbestandes aufzukaufen. Da es nur abgekocht verwendbar war, durfte es in keinem Falle an andere Leute weiterverkauft werden.

Im Jahr 1939/40 erstellte das Kriegswirtschaftsamt in Bern Tabellen, aus denen sogar der Milchertrag der Kühe und Ziegen ersichtlich war. Für jeden Bauer konnte so der zu erzielende Ertrag und folglich die Ablieferung errechnet werden. Es kam aber vor, dass die Kühe diese Tabellen nicht kannten und sie trotz wöchentlicher Überwachung durch die Gemeindekontrolleure (Herr Güpfert und Herr Keller) nicht nach den Weisungen aus Bern reagierten und so in der Statistik immer wieder Differenzen entstanden.

Diese Differenzen wurden auch öfters schamlos ausgenutzt. Der Schwarzhandel hatte Hochkonjunktur. Wohl ergingen in den Medien immer wieder Aufrufe, auf solches Tun zu verzichten, aber ganz unterbinden liess er sich nicht.

Ein eigentlicher Tauschhandel entwickelte sich bei den Lebensmitteln. Dieser war aber zugelassen. Die Zuteilung der Lebensmittelkarten, welche die Gemeinden an ihre Einwohner zu verteilen hatten, verlief allerdings nicht ohne menschliche Fehler. Es war auch nicht ganz einfach, gab es doch verschiedene Karten für junge, alte, gesunde und kranke Personen, ja sogar für Schwerarbeiter wurden separate Lebensmittelkarten abgegeben.

So war auch das Kriegswirtschaftsbüro der Gemeinde Goldach nicht von menschlicher Schwäche verschont. Nach einer Kontrolle durch die St.Galler Behörden wurde 1942 der damalige Amtsinhaber fristlos entlassen und einer empfindlichen Strafe zugeführt. Trotz aller Unzulänglichkeiten haben die Menschen in Goldach die Zeiten der Lebensmittelrationierung aber gut überstanden.

Text: Heiri Bärlocher
Originalartikel im Wellenbrecher Nr. 79 vom November/Dezember 2008, S.21
Copyright: Gemeinde Goldach

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