VI Am Hafen und Marktplatz

An der Stelle einer bisher bevorzugten Schifflände hat schon Ulrich Rösch (1463–1491) das Ausmass eines von äbtischen Gebäulichkeiten eingefassten Marktplatzes (heute Hafenplatzes) und Hafens festgelegt. Einzig neu sind bis zum Jahre unseres Stichs (1794) die Erneuerung und Zweckbestimmung einiger untergeordneter Häuser und vor 46 Jahren unter Abt Cölestin II. (1740-1767) die den Hafen flankierenden Bauten des Korn- und Kaufhauses hinzugekommen.

Beginnen wir mit dem Kaufhaus auf der Ostseite des Hafenbeckens. Zur gleichen Zeit mit dem Kornhaus (1748) erbaut, dient diese «Gred» als Stapel für alle Kaufmannsgüter ausser Getreide. Später wurde – auf dem Stich deutlich sichtbar – der Salzstadel östlich angebaut. Hier wird das aus dem Salzkammergut über Lindau eingeführte sogenannte «bayrische Salz» gelagert. Wahrscheinlich befindet sich in diesem Gebäude die Rorschacher Münzstätte.10 Hier amtet, vielleicht selbst ein Kaufmann, der Rorschacher Münzmeister als alleinberechtigter Geldwechsler und Verwalter von Mass und Gewicht. Am Südende des Kaufhauses leitet der Obere Bogen hinüber zum Haus zum «Truck». Hier «an der Mauer beim Tor» stehen die Mangen und Pressen zur Verfügung der Leinwandherren. Hinter dem Turm, der offenbar als Treppenhaus diente, erblickten wir vor der stattlichen Bayerschen untern Familienbesitzung «Im Hof» – die obere bestand aus Rathaus und «Falken» – das kleine, diesem Kaufmannsgeschlecht gehörende Leinwandhäuschen, während sich rechts, seit 1662, die Obervogtei mit der Wohnung des weltlichen Obervogts, der Kanzlei und dem Sitzungszimmer für den Pfalzrat anschliesst. Hier ist der Stich verzeichnet; denn von der Ecke dieses Hauses (bei D) bis zu jener der äbtischen Taferne zum «Güldenen Löwen» (Haus Federer) besteht in Wirklichkeit ein Engpass, der mit Leichtigkeit abgeriegelt werden konnte. Die Taferne beherbergt im Erdgeschoss Leinwandmagazine und im ersten Stock die Gaststube und den Sitzungsraum der Rorschacher Zünfte. Dann folgt das lange Schau-, Schmalz- und Garnhaus. Bei Inbetriebnahme des Kornhauses (1749) wurde die Leinwandschau von der Gred in dieses Gebäude verlegt. Über dem Ankerbach, der schon damals wie heute unter dem Platz hindurch in den See floss, folgte das erstmals 1547 belegte Humpiss’sche Haus, in dem einst Vertreter dieser Ravensburger Kaufleute wohnten und das die Äbte den Neuzugezogenen gerne zur Verfügung stellten, solange sie die Hilfe auswärtiger Leinwandhändler brauchten. Jetzt teilen sich der Kornmeister und ein Herr Wulpillier aus Magland bei Annecy, Savoyen, in das vom Abt verliehene Haus, dessen Erdgeschoss der Zollposten beim Untern Tor einnimmt. Die genannten zwei Bürger wurden auch mit dem nördlich sich anschliessenden Untern Bogen und mit der Apotheke belehnt, auf die der «Hirschen» des Constantin Hutterer und ein kleines Badhaus folgten. Dieser westliche Abschluss des Marktplatzes leitet über zum Kornhaus. Dessen bevorzugte Stellung am Hafen gestattet es den Kornschiffen, auf drei Seiten anzulegen.

10 Vgl. R. G.; Verschwundene Hausnamen auf Rorschacher Gemeindegebiet, RNB 1961.

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