Gottlieb Füllemann (*1872 - †1956), Bootsbauer, Rorschach

Gottlieb Füllemann, Bootsbauer, Rorschach
Gottlieb Füllemann

Fünfzig Jahre Bootsbauer

Unsern Rorschacher Bootsbauer, Motorbootsbesitzer und Gondelvermieter brauchen wir nicht vorzustellen. Jedes Kind kennt ihn. Mit dem Namen «Füllemann» verbindet sich die Erinnerung an schöne Fahrten auf dem Bodensee. Gottlieb Füllemann feiert diesen Sommer sein 50. Berufsjubiläum. Er ist ein rüstiger 75jähriger und denkt noch lange nicht daran, das Steuerrad der «Luna » oder «Strandfee» mit dem Ofenbänklein zu tauschen. Wer mit ihm ins Gespräch kommt, hat keinen langweiligen, resignierten Gesprächspartner. Viel Interessantes weiss Papa Füllemann zu erzählen aus der langen Zeit seiner Berufsjahre, die ihm frohe und ernste Erlebnisse gebracht haben. Vor 50 Jahren begann Gottlieb Füllemann in Horn mit eigenem Bootsbau. In seinen Adern fliesst Seemannsblut; denn der Stammbaum weist bis ins 16. Jahrhundert zurück, dass seine Urahnen Schiffsmannen gewesen waren. Mit der Uebernahme der Gondelvermietung in Rorschach vergrösserte sich auch seine Werkstätte. Er erinnert sich mit Vergnügen an die letzten Zeiten Rorschachs, die hohe Gäste in den Kurort an den See brachten. Aber nicht nur königliche Feriengäste, die in Villen und Schlössern am See weilten, hatten Verlangen nach einer Bootsfahrt. Die biederen Eidgenossen kamen in Lustwagen nach Rorschach. Das Hotel Schiff z. B. war oft Ziel von über 20 Hoch zeitsgesellschaften pro Tag, die ebenfalls ein Fährtchen auf dem See auf keinen Fall vermissen wollten. Gottlieb Füllemann baute 1903 das erste Motorboot des Bodensees und taufte es mit dem Namen der Heimat, «Rorschach». Das schöne Schiff fand die ungeteilte Bewunderung der Passagiere, die sich ohne Angst der tüchtigen und sicheren Führung von «Kapitän Füllemann» anvertrauen konnten. Dem ersten Motorboot folgte bereits 1904 ein zweites, selbsterbautes Schiff, die «Luna», die übrigens heute noch den beliebten Kurs Rorschach-Altenrhein zur besten Zufriedenheit ausführt. Der Ruf als ausgezeichneter Gondelbauer bestätigte sich ebenfalls. Für die eigene Schiffsvermietung baute Gottlieb Füllemann eine ansehnliche Flotille von kleineren und grösseren Ruderbooten.

Unser Jubilar ist wohl wie kaum ein zweiter mit dem See und seinen Tücken vertraut. Unzähligemal fuhr er unter Lebensgefahr hinaus in die brandenden Wogen, wenn vorwitzige Gondelmieter das Herannahen eines Sturmes nicht beachtet hatten. Nicht wenige Menschenleben hat er vor dem Wassergrab gerettet. Die Rettung eines Buben ist ihm besonders unvergesslich geblieben. Er sprang mit schwitzendem Körper in die Fluten und entriss den Knaben den Wellen. Seit jenem Tag besitzt er als bleibendes Andenken einen bösen Rheumatismus! Den grössten Sturm auf dem Bodensee erlebte Gottlieb Füllemann anno 1910. Ueber drei Meter hohe Wellen schlugen mit einer nie erlebten Wucht um das Motorschiff. Unter Todesgefahr steuerte er, vertrauend auf die gute Konstruktion des Schiffes und die Zuverlässigkeit des Motors, durch den Orkan in den sicheren Hafen. Mit besonderer Freude erinnert sich der Jubilar des leutseligen Königs von Württemberg, der jedes Jahr in der Villa Seefeld seinen Sommeraufenthalt nahm. Dabei hatte G. Füllemann die Ehre, die Prinzessin und ihre Kinder täglich nach Friedrichshafen und zurück fahren zu können. Eine nette Reminiszenz ist ihm im Gedächtnis geblieben. Um dem Gwunder der Rorschacher zu entgehen, liess der königliche Gast drunten im Seefeld einen Steg bauen. Dort hielt jeweils das Dampfschiff, und der königliche Gast erreichte seinen Sommersitz, ohne von der Neugier der Leute belästigt worden zu sein. Trotzdem war er ein beliebter Mann, der ein fröhliches Gespräch mit den «Eingeborenen» am See gerne anknüpfte. Der Steg ist heute noch zu sehen, während die Villa Seefeld als letzter Zeuge königlichen Glanzes seit ein paar Jahren vom Erdboden verschwunden ist.

Gottlieb Füllemann ist ein Mann der Praktik. Mit nie erlahmender Schaffenskraft und grosser Liebe zum See und seiner Stadt Rorschach hat er mitgeholfen, dass Rorschach als st. gallische Hafenstadt einen guten Ruf besitzt. Mit Wehmut denkt er an die Kriegsjahre zurück, die ihn zum Verkauf des grossen Motorschiffes «Rheinlust» zwangen. Die behördliche Unterstützung blieb ihm, dem tüchtigen und unternehmungsfrohen Mann, versagt, so dass er den Verlust der «Rheinlust», die einst tausende von begeisterten Passagieren den Altenrhein hingauf nach Rheineck brachte, schmerzlich empfand. Dem zukünftigen Rheinschiffahrtshafen schenkt Gottlieb Füllemann seit Jahren seine besondere Aufmerksamkeit. Seine eigenen Pläne verraten den Mann mit ungewöhnlich vielseitiger Sachkenntnis. Es wäre eine Unterlassung, wollten wir nicht auch seiner tapferen Ehegefährtin gedenken, die in all den guten und bösen Jahren mutig und unverdrossen ihrem Manne in seinem Beruf zur Seite steht. Viele Jahre half Frau Füllemann dem Gatten in der Werkstatt; sie hantierte fleissig mit Pinsel und Farbe, mit Hammer und Zange unter den werdenden Booten. Das verantwortungsvolle Amt einer Gondelvermieterin versieht sie heute noch mit grossem Geschick. Sie ermuntert Aengstliche zu einer kleinen Bootsfahrt und warnt Uebermütige vor den Gefahren unbedachten Handelns. Dass die Arbeit das beste Lebenselixir ist, beweist uns wiederum das Ehepaar Füllemann, dem wir den Dank fleissigen Tuns für die Oeffentlichkeit Rorschachs überbringen. Diese Arbeit stand in nicht geringem Teil im Zeichen der Verkehrsförderung und Verkehrsbelebung Rorschachs und des Ansehens der Hafenstadt. Bootsbauer Gottlieb Füllemann hat durch sein seriöses Geschäftsprinzip und seine tüchtige Schaffenskraft die Anerkennung aller verdient. Herzlichen Dank und Gruss dem Fünfundsiebziger!

Buchtitel: Rorschacher Monatschronik 1947, S.116-117
Copyright: 1947 by E. Löpfe-Benz, Rorschach

In seinem 84. Lebensjahre ist der bekannte Bootsbauer Gottlieb Füllemann zur ewigen Ruhe eingegangen. Einer grossen Bootbauerfamilie entstammend, hat sich der Dahingeschiedene im Jahre 1904 in Rorschach angesiedelt und hier das weitherum bekannte Unternehmen gegründet und aufgebaut. Sein privates Schiffahrtsunternehmen stellte sich in den Dienst der Verkehrsbelebung Rorschachs und mehrte das Ansehen unserer Hafenstadt.

Buchtitel: Rorschacher Monatschronik 1956, S.126
Copyright: 1956 by E. Löpfe-Benz, Rorschach

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