Aus der Vergangenheit Steinachs

Gredhaus, Steinach, Erbaut 1473. Photo: W. Burkhardt, Arbon
Gredhaus, Steinach, Erbaut 1473. Photo: W. Burkhardt, Arbon

Von der Seeanlage Arbon aus bietet die Steinacher-Bucht ein idyllisches Bild. Der vornehme Herrensitz «Weidenhof», Parkhäume, das wuchtige grau-grüne Gredhaus sind es vor allem, die dem Beschauer zuerst auffallen. Nicht daß keine andern Häuser zu sehen wären, sogar die eigenwillig geformte Wiebelkuppel der Kirche ragt noch deutlich sichtbar aus den Bäumen hervor. Das Gredhaus paßt wie keines der andern Gebäude in die Landschaft. Der Baumeister, der anno 1473 den Auftrag ausführte, ein mächtiges Kornlagerhaus zu erstellen, muß ein feines Empfinden für die Einheit von Gebäude und Landschaft besessen haben. Es war ja nur ein nüchterner, für ein Dorf allzu großer Zweckbau zu errichten, aber er hatte das Gefühl für edle Proportionen. So entstand nicht einfach ein Gewaltbau für Korn und allerlei Waren, sondern er schuf ein kraftvolles Wahrzeichen für Jahrhunderte. Gewiß, der grünsilbrige Sandstein wirkt schon allein durch die Farbe, aber den Ausschlag gaben doch die wohl abgewogenen Verhältnisse der Maße und das prächtige Dach (bis vor wenigen Jahren noch mit heimeligen Holzziegeln bedeckt) mit den gebrochenen Ecken (gewalmtes Satteldach). Es ist nicht Oertligeist, wenn ich ganz offen gestehe, daß mir das massige Gredhaus in seiner Einfachheit besser gefällt als das jüngere und «elegantere» Korschacher Kornhaus. (Nünt für uguet!)

Vielfach ist die irrige Meinung vertreten, der Abt von St. Gallen hätte das Gredhaus erstellen lassen. Die Gerichtsbarkeit von Ober- und Niedersteinach wurde um 1459 von Kaspar Ruchenacker an die Stadt St. Gallen verkauft, samt Schiffahrts-, Zoll- und Tavernenrecht. Steinach schien einer entwicklungsreichen Zukunft entgegen zu gehen. Es lag die Absicht vor, hier den Hauptstapelplatz auf dem diesseitigen Ufer zu errichten und so den äbtischen Hafen Rorschach zu überflügeln. Die Steinacher Schifflände wurde sofort verbessert und ein Gasthaus errichtet für die Schiffsleute und was die Hauptsache war: ein geräumiges Lagerhaus — eben das Gredhaus — gebaut. Auf Segelschiffen wurden die Waren über den See gebracht, im Gredhaus aufgestapelt und bei günstiger Witterung nach St. Gallen gesäumt oder gefahren. Der vernachlässigte Saumweg wurde zur Fahrstraße erweitert, während der Weg von Rorschach - St. Gallen damals weniger ausgebaut war. Die Stadt hatte sich vom Kloster getrennt und den Kampf gegen die Abtei aufgenommen, darum versuchten sie mit allen Mitteln, ihr den Handel und somit bedeutende Einkünfte zu entziehen. Schon nach Jahren kam es anders. Der neue, energische Abt Ulrich Rösch III. gab sich gar nicht so leicht geschlagen. Er ließ in Rorschach ein Kloster bauen. Hätte nun der Abt das vielbesuchte Galluskloster nach dem Bodenseestädtchen verlegt, so wäre dies ein harter Schlag gewesen für die Stadt St. Gallen, das ja viel Verdienst erhielt gerade durch die auswärtigen Besucher des Wallfahrtsortes. Anderseits befürchteten die Appenzeller dadurch neue Ahgabenlasten. So sammelten sich die erregten Bauern im Verein mit St. Gallern und Rheintalern, im ganzen über 2000 Mann, in Grub und zerstörten den prächtigen Klosterbau, bevor er bezogen worden war (1489), die vier Scbirmorte der Abtei — Zürich. Glarus, Luzern, Schwyz — vermochten auf friedlichem Wege nichts zu erreichen. Es kam zu einem regelrechten Feldzug. Im Jahre 1490 rückten 8000 Mann ins Fürstenland. Mit Mühe hatten die verbündeten St. Galler, Fürstenländer und Appenzeller auch ungefähr soviel Bewaffnete zusammengebracht. Weil die eigentlichen Rädelsführer — der Bürgermeister von St. Gallen und der appenzellische Laudammann geflohen waren, schlossen die Appenzeller mit den Eidgenossen Frieden.

Auch die Fürstenländer fanden es geratener, von einem Kampf abzusehen. Die wackern St. Galler, von allen verlassen, ergabenen sich nicht ohne weiteres. Nach drei Tagen harter Belagerung verhandelten sie mit den vier Orten. Ein achtgliedriges Schiedsgericht fällte das Urteil, demzufolge hatten die St. Galler und Appenzeller dem Abt für allen Schaden aufzukommen und den Eidgenossen mußten sie die nicht geringen Kriegskosten decken. Die Appenzeller mußten ihnen das Rheintal abtreten, das sie 30 Jahre vorher käuflich erworben hatten. Die Stadt wurde
gezwungen, das Gredhaus mit Zoll und allen Rechten sowohl in Nieder- als Obersteinach abzutreten. Der Abt wiederum kaufte dies alles von den Orten zurück! So war für ihn der Handel ganz einträglich. Der «rote Ueli» (Ulrich Rösch) konnte sich seines Sieges nicht mehr lange freuen, er starb bald darauf. Von seinem Nachfolger wurde das zerstörte Kloster (Mariaberg) wieder aufgebaut, wenn auch nicht mehr mit der gleichen künstlerischen Sorgfalt (Kreuzgänge), da es nur als Klosterschule dienen sollte.

Jetzt kamen wieder bessere Zeilen für Rorschach! Allmählich verlor Steinach seine dominierende Stellung zugunsten Rorschachs. Doch wurde der Steinacher Hafen nicht gänzlich vernachlässigt, gehörte er doch gleichfalls der Abtei. Im Jahre 1557 wurde der Hafendamm erneuert und bald darauf eine gemauerte Landungsstelle gebaut.

In den Hungerjahren 1774 bis 1776 ließ der umsichtige Fürstabt Beda von Rorschach nach Wil eine Straße bauen und das heutige Rorschacher Kornhaus erstellen.

Nach Aufhebung der Abtei 1805 verpachtete der Kanton das Gredhaus an Private. Im ersten Stock wurde eine Gaststube eingerichtet. Im übrigen blieb es noch immer Lagerhaus, der Pächter war zugleich Gredmeister und Zolleinehmer. Neben der geräumigen Gaststube befand sich das kleine Kapuzinerstübli, in dem Geistliche etwa ein Glas Steinerbürgler genehmigten. Im Gang hingen einige Oelbilder von allerlei Amtspersonen. Fuhrleute, von Konstanz kommend, kehrten gern im Gredhaus ein und übernachteten da, bevor sie rheinauf fuhren nach dem Bündnerland. In den 60er Jahren kam das Gredhaus, oder wie man es damals nannte, das «Rößli» in Privatbesitz. In dieser Zeit müssen die Porträts verkauft oder vernichtet worden sein. Im 1870er Krieg wurden 200 französische Soldaten der Bourbaki-Armee interniert, die wohl kaum ausgerissen wären, wenn sie auch nicht von einer ganzen Kompagnie Scharfschützen bewacht worden wären.

Seit 1840 war der Hafen immer mehr in Zerfall gekommen, sodaß die Ueberreste der Hafenmauer schließlich als Uferschutz bei der Straßenkurve vor Horn verwendet wurden (Villa Ceramique).

Heute sind 8 einfache Wohnungen eingebaut, «und fragst du nach den Steinerbürgler, du findest ihn nicht mehr ...»

Text: Willi Gantenhein
Buchtitel: Rorschacher Monatschronik 1938, Nr.12, S.89-92
Copyright: 1938 by E. Löpfe-Benz, Rorschach

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